In dieser Pandemie brauchen wir Handlungsspielräume, abgesichert durch Ressourcen.
Die Pandemie hat das Schulsystem vollständig im Griff. SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen sind erschöpft, zahlreiche Quarantänefälle und hohe Krankenstände lassen keinen „Regelunterricht“ zu. Unverständnis herrscht allenthalben angesichts des Versagens der Bildungsadministration, die sich weidlich im gesellschaftspolitischen Diskurs widerspiegelt. Alle Maßnahmen scheinen dem erklärten Willen zu folgen, zur vorpandemischen „Normalität“ zurückkehren zu wollen. Bereits mit dem schon vor der Pandemie veröffentlichten Forderungspapier haben die im Bündnis Schule³ vertretenen Schulen darauf hingewiesen, dass die herrschende Bildungspolitik dem Auftrag für Bildungsgerechtigkeit zu sorgen, nicht nachkommt.
Die Pandemie hat die Bildungsungerechtigkeit wie mit einem Brennglas in die Mitte der Bildungsdebatte gerückt. Dies führte jedoch zu keinerlei zielführenden Innovationen im Bereich der Bildungsadministration.
Über allem steht das Credo „Schulen dürfen nicht geschlossen werden“. Gelder, die mit der Gießkanne über die Schulen geschüttet werden – Stichwort ANC, Ankommen nach Corona -, nützen zurzeit wenig, da es an Menschen fehlt, die befristet eingestellt werden können. Es entsteht der Eindruck, dass bei der Auslobung der Höhe der Gelder wissentlich davon ausgegangen wird, dass diese nicht bewirtschaftet und nicht abgerufen werden können. Gut lässt sich damit Politik machen und die Verantwortung auf die Schulen verlagern.
Schule³ stellt fest, dass es an der Zeit ist zu handeln. Angesichts der verheerenden Einschätzung der Pandemielage – es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass Schulen im Sommer anders arbeiten werden als in der Zeit von Oktober bis März -, und der Tatsache, dass niemand weiß, wie sich die nächsten Corona-Jahre gestalten werden, muss für alle Schulen, besonders aber für die Schulen, in denen sich die Armut und die Auswirkungen der Pandemie besonders dramatisch zeigen, ein Umsteuern in der Bildungspolitik erfolgen. LehrerInnen, Schulleitungen müssen in diesen Schulen bereits jetzt ein Vielfaches an Zeit und Kreativität aufbringen, um die Folgen der Corona-Pandemie abzumildern .
In der augenblicklichen Situation fordern wir zuallererst für Schulen in prekären Situationen pädagogische und organisatorische Freiheiten, um das schulische Leben in eigener Verantwortung sinnvoll gestalten zu können. Eine veränderte schulische Praxis muss in diesen Zeiten die Bildung fördern und darf Schule nicht auf die Vermittlung kognitiver Inhalte, über Indikatoren messbare Kompetenzen verengen. Sie muss vor allem der Vereinzelung, der Verzweiflung der SchülerInnen und ihrer Benachteiligung begegnen. Diese Forderungen müssen, wie bereits früher beschrieben, sachlich und personell gestützt werden:
Ein 20%iger Stellenzuschlag wie bei den Talentschulen ist notwendig, begleitet von Maßnahmen, diese zu besetzen. Dass dies möglich ist, zeigen die sogenannten Vorgriffsstellen an Gymnasien; hier werden die Ressourcen zur Verfügung gestellt. Auch der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung weist mit der Förderung von 4.000 Schulen in prekären Lagen den richtigen Weg.
Unsere aktuellen Forderungen:
- Die Teilung von Klassen / Distanzunterricht von Jahrgängen ermöglichen und die Entscheidung darüber in die Eigenverantwortung von Schulen legen (Hintergrund der Forderung ist hier das Infektionsgeschehen und der enorme Krankenstand unter dem pädagogischen Personal).
- Die Stundentafel und die Curricula aussetzen und fächerübergreifendes und projektorientiertes Lernen ermöglichen.
- Alternative Prüfungen erlauben und die Anzahl der Klassenarbeiten reduzieren.
- Die Rekrutierung von Personal für diese Schulen durch ein vorgezogenes Einstellungsverfahren sichern.
Dass diese Forderungen nicht zu unaufholbaren Lernrückständen führen, zeigten die Interventionen gerade der Schulen, die sich im Bündnis Schule³ zusammengeschlossen haben. Schon immer sind diese Schulen „gezwungen“ gewesen, kreative Lösungen für die enormen Herausforderungen zu entwickeln, denen sie gegenüberstehen. In dem Bündnis befinden sich preisgekrönte Schulen (Deutscher Schulpreis), die im Bereich der Schulentwicklung zukunftsweisende Wege auch schon vor der Pandemie gegangen sind.
Die obenstehenden Forderungen sind in diesem Kontext zu sehen und es ist an der Zeit durch Rekontextualisierungen von Erlassen, Verfügungen und Gesetzen, diesen Erfahrungsschatz anzuerkennen, abzusichern und zu nutzen.